Ehrenamt Aktiv: Im Gespräch mit Boris Michalowski
Anfang April wurde Boris Michalowski zum neuen Fachdienstleiter Katastrophenschutz und Notfallvorsorge gewählt. Mit dem Arbeiter-Samariter-Bund ist der heute 38-Jährige schon seit seiner Kindheit eng verbunden. Im Interview spricht er über seine Motivation zum Helfen und seine Pläne für den Katastrophenschutz.
Boris, Du bist schon fast dein ganzes Leben beim ASB aktiv. Wie kam es dazu?
Meine Eltern haben sich in den 70er Jahren beim Arbeiter-Samariter-Bund kennengelernt. Beide waren zu dieser Zeit schon sehr aktiv. An einem ASB-freien Wochenende im Jahr 1976 haben die beiden geheiratet, vier Jahre später bin ich auf die Welt gekommen, eineinhalb Jahr später mein Bruder Dennis. Als ich sechs Jahre alt war, hat der ASB Reinickendorf eine Kindergruppe ins Leben gerufen - das war der Start meines ASB-Lebens. Ich kann mich erinnern, dass uns meine Mutter damals in Erster Hilfe unterrichtet hat. So kam es, dass ich schon mit sechs Jahren die stabile Seitenlage gelernt habe - auch wenn es damals noch fünf oder sechs von uns gebraucht hat, um diese bei einem Erwachsenen anzuwenden.
Wann warst Du zum ersten Mal offiziell für den ASB im Einsatz?
Das war 1993 auf dem deutsch-französischen Volksfest. Unsere Jugendgruppe hat damals beim Sanitätsdienst unterstützt. In diesem Jahr bin ich offizielles Mitglied im Arbeiter-Samariter-Bund geworden.
Du arbeitest Vollzeit für die Firma Vattenfall. Hast Du neben deinem Beruf und deinem Ehrenamt überhaupt noch freie Zeit?
Tatsächlich verbringe ich den Großteil meiner Freizeit beim ASB. Von 52 Wochenenden im Jahr sind mindestens 40 mit dem ASB verplant, vor allem wenn in den Sommermonaten eine Großveranstaltung nach der anderen ansteht. Wichtig ist eine gute Planung. Wenn es meine Zeit zulässt, gehe ich leidenschaftlich gern ins Kino oder treffe mich mit Freunden zu einem Barbecue Abend. Wenn ich selbst merke, dass ich eine Auszeit benötige, versuche ich mir diese zu nehmen. Aber natürlich fühlt man sich einfach zum Helfen verpflichtet. Da ist auf alle Fälle eine starke intrinsische Motivation.
Du hast vor Kurzem dein Studium als Master Sicherheitsmanagement abgeschlossen. Gab es schon Gelegenheiten, das Erlernte direkt anzuwenden?
Oh ja, diese Gelegenheiten gibt es. Beispielweise war ich im letzten Jahr im Planungsteam der Leichtathletik EM. Dabei habe ich am sanitätsdienstlichen Sicherheitskonzept mitgearbeitet und konnte direkt auf die Kompetenzen aus dem Studium zugrückgreifen.
Kannst Du dich an ein besonders prägendes Ereignis in all den Jahren ASB erinnern?
Da gibt es ganz viele. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir unser Einsatz bei der Flutkatastrophe an der Elbe im Jahr 2002. Wir waren über zwei Wochen im Einsatz. Solche Bilder und solch ein Ausmaß an Zerstörung kannte ich bis dahin noch nicht. Auch die Verzweiflung der Menschen, die ihre Häuser verloren hatten, ist mir stark in Erinnerung geblieben. Ich habe damals unter anderem den Betreuungsdienst unterstützt. Wir hatten eine riesige Verpflegungsstelle mit mehreren Feldküchen aufgebaut und die Essensversorgung für mehrere Tausend Betroffene und die Helfer sichergestellt.
Es gab auch andere besondere Erlebnisse. Ich habe zum Beispiel zweimal während meiner Einsätze einen Menschen reanimiert und konnte dadurch Leben retten. Bei beiden Malen handelte es sich um einen Herzinfarkt. Durch einen Defibrillator konnten wir die Personen schnell wieder ins Leben zurückholen. Für jemand, der hauptamtlich im Rettungsdienst arbeitet, mögen solche Erlebnisse zum Alltag gehören, mich hat das jedes Mal unglaublich beeindruckt.
Seit einigen Wochen stehst Du an der Spitze des Fachdienstes Katastrophenschutz und Notfallvorsorge. Was genau sind die Aufgaben dieses Fachdienstes?
Als Katastrophenschutz gehören wir zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Katastrophenschutz ist für die Situationen und Lagen gedacht, bei denen alles andere versagt. Wenn der Regelrettungsdienst nicht mehr weiterkommt und die Feuerwehr komplett ausgelastet ist, ist der Katstrophenschutz gefragt. Die Einrichtung stammt eigentlich aus einer Zeit, in der Kriege eine große und alltägliche Bedrohung darstellten. In der heutigen Zeit sind andere Bedrohungslagen real: Unwetterphänomene, technische Gefahren, große Unfälle aber auch terroristische Bedrohungslagen. Für solche Fälle steht der Katastrophenschutz ein. Insgesamt haben wir sieben Fachgruppen: Den Sanitätsdienst, den Betreuungsdienst, Technische Sicherheit, Führung & Kommunikation, die Krisenintervention mit unserem Einsatznachsorgeteam, die AG Maske und die erst vor wenigen Jahren neu gegründeten Hochwassergruppe.
Was reizt dich an dem Vorsitz des Fachdienstes?
Es wird auf alle Fälle eine sehr spannende Aufgabe. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns mit dem Katastrophenschutz als ASB gut aufstellen. Wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben eine ganze Menge an Hilfeleistungspotential, was für diese Stadt, aber auch für das Bundesgebiet von großem Wert ist. Ich glaube, dass wir den Katastrophenschutz wieder als einen unserer ursächlichsten Vereinszwecke begreifen müssen.
Wie sehen deine konkreten Pläne aus?
Ich sehe meine Funktion vor allem in der strategischen Neuausrichtung des Fachdienstes. Ganz wichtig ist mir zum Beispiel, dass wir den Katastrophenschutz insbesondere in den Regionalverbänden wieder stärker verankern. Denn hier liegt die Basis des Ehrenamtes. Außerdem werden wir neue Kooperationsmöglichkeiten prüfen. Großes Thema für uns sind auch Lagen unterhalb der Katastrophenschwelle, was beispielsweise der großflächige Stromausfall in Köpenick gezeigt hat. Dazu gehört für mich der Bereich des sogenannten Notfallmanagements. Ich möchte, dass wir in zwei bis drei Jahren an dem Punkt sind, wo wir für möglichst viele Szenarien einen Notfallplan, verbunden mit konkreten Handlungsmaßnahmen, haben. Kommt es dann zu einem Stromausfall, zur Evakuierung nach einer Bombenentschärfung oder zu einem Massenanfall von Verletzten, müssen wir quasi nur noch die Checkliste abarbeiten und sind innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit. Der nächste Schritt wäre, dass man solche Szenarien auch praktisch erprobt. Dieses Jahr nehmen wir zum Beispiel an drei großen Katastrophenschutz Übungen teil.
Das nächste großes Event, auf dem der Katastrophenschutz involviert ist, wird das DFB Pokalfinale sein. Was ist dort eure Aufgabe?
Hierbei wird der Katastrophenschutz mit der Fachgruppe Führung & Kommunikation und dem ELW 2 vor Ort sein. Die Fachgruppe wird die Einsatzleitung des ASB-Regionalverband Nordwest e.V. unterstützen. Außerdem wird der Betreuungsdienst mit vor Ort sein und sich um die Verpflegung der Einsatzkräfte kümmern.
Wie sieht es in Eurem Fachdienst mit dem Thema Nachwuchs aus?
Ich glaube, es gibt keinen Bereich im ASB, der das Thema Nachwuchsförderung nicht für wichtig erachtet. Gerade in einer Stadt wie Berlin ist das allerdings nicht ganz so einfach. Das Freizeitangebot in der Stadt ist riesig. Andere ASB-Landesverbände machen zum Beispiel sehr gute Erfahrungen, über den Schulsanitätsdienst Jung-Samariterinnen und -Samariter zu akquirieren. Hierdurch gelingt es, junge Leute mit der Organisation bekannt zu machen und sie an den ASB zu binden. Und wir brauchen gutes Marketing und sollten die sozialen Medien noch stärker als Chance begreifen. Ich finde es wichtig, den Menschen zu vermitteln, was für ein breites Feld es beim ASB gibt, in dem man sich engagieren kann.
Bei welchen Gelegenheiten könnte man sich einmal einen Eindruck von Eurem Fachdienst machen?
Zum Beispiel bei den Übungen der AG Maske, einer wichtigen Fachgruppe im Katastrophenschutz, die im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung regelmäßig Krankenhausübungen durchführt. Hierfür suchen wir immer wieder Verletzten-Darsteller. Außerdem versucht der Katastrophenschutz, bei diversen Öffentlichkeitstagen vor Ort zu sein, zum Beispiel am Fest der Luftbrücke. Wir freuen uns über jeden, der mit uns in Kontakt tritt. Theoretisch kann jeder bei uns anfangen. Toll ist es natürlich, wenn jemand schon eine medizinische Grundausbildung mitbringt oder eine Kochlehre und Lust hat, in der großen Feldküche zu arbeiten. Darüber würden wir uns riesig freuen. Das Aufgabenspektrum und die Möglichkeiten, sich beim ASB Berlin zu engagieren, sind auf alle Fälle sehr breit, nicht nur beim Katschutz, sondern in der gesamten Organisation.
Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Boris alles Gute für seinen neuen Vorsitz.