Freiwilligen-Talk: Ein FSJ beim Unionhilfswerk
Saranda H. ist Freiwilligendienstleistende beim Unionhilfswerk im Joachim-Fahl-Haus, ein Wohnheim am Nordufer in Berlin. Im Interview mit Sophie Oliveira Fürch (BFD-lerin in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) erzählt sie von ihrer Arbeit als Betreuerin von Erwachsenen mit kognitiver und teilweise körperlicher Beeinträchtigung, sowie Menschen mit psychischer Erkrankung.
SOF: Was hat dich zu einem FSJ motiviert?
SH: Nach meinem Abitur hatte ich überlegt, ein Auslandsjahr zu machen. Ich wollte meine Zeit aber sinnvoller nutzen, gerade während der Pandemie ist Engagement und Zusammenhalt so wichtig gewesen wie noch nie zuvor. Ich habe mich nach freien Stellen umgeschaut, über eine Bekannte bin ich dann zu einem Schnuppertag hierhergekommen. Ich habe mich total in dieses Ambiente verliebt und wurde sehr herzlich aufgenommen.
SOF: Welche Aufgaben übernimmst Du?
SH: Die Bewältigung des gesamten Alltags der Bewohnerinnen und Bewohner. Das fängt morgens beim Zähne putzen an, geht über Gruppenaktivitäten, Beschäftigungen am Nachmittag und hauswirtschaftliche Aufgaben. Im Vordergrund steht dabei, dass ich die Bewohner*innen unterstützen, motiviere und anleite. Die Bewohner*innen sollen ihre Aufgaben möglichst selbstständig meistern, wir geben ihnen Hilfestellung. Es ist immerhin ihr Zuhause.
Hinzu kommt die Überwachung des Gesundheitszustands, Absprache und Begleitung bei Arztterminen und sogar einige verwaltungstechnische Aufgaben.
SOF: Wie ist dein Verhältnis zu den Bewohnerinnen und Bewohnern des Joachim-Fahl-Hauses?
SH: Anfangs war es seltsam, direkt in ein so offenes Verhältnis einzusteigen, aber über die Zeit habe ich mich total daran gewöhnt. Konflikte hatte ich bisher nur mit einer Bewohnerin, bedingt durch ihre Erkrankung. Ansonsten habe ich zu allen eine gute Beziehung, insbesondere zu meiner Kerngruppe aus dem Haus 1.
SOF: Welche Herausforderungen musstest Du bisher meistern?
SH: Die besagten Konflikte mit der Bewohnerin waren für mich etwas schwierig, weil ich lernen musste, dass das nichts Persönliches ist. Dazu kommen die vielen Emotionen, die meine Arbeit mit sich bringt wie vor kurzem erst zwei große gesundheitliche Schicksalsschläge. Das geht einem schon sehr nah.
SOF: Was gefällt dir an deiner Arbeit besonders gut und was weniger gut?
SH: Mir gefällt, dass trotz strukturierter Tagesabläufe jeder Tag aufs Neue besonders ist. Außerdem habe ich von Anfang an viel Verantwortung übernommen und gemeinsam mit den Bewohner*innen an vielen kreativen Projekten gearbeitet. Das Miteinander hier ist wirklich schön, es herrscht eine total familiäre Atmosphäre.
Der Wechsel von Inkontinenzmaterial ist vielleicht nicht meine Lieblingsaufgabe, aber ich wurde auch immer gefragt, ob das für mich in Ordnung ist. Mittlerweile ist das auch ganz normal für mich.
SOF: Was hast Du aus deinem FSJ gelernt, wofür Du dankbar bist?
SH: Hier arbeiten sehr viele verschiedene Menschen, sodass ich durch den unterschiedlichen Input gelernt habe, Menschen noch besser zu verstehen. Ich durfte viele Krankheitsbilder kennenlernen und nehme für mich sehr viel Wissen mit. Ich hatte zu Beginn meines FSJ Angst, das Lernen zu verlernen und später im Studium Probleme zu haben. Obwohl ich nicht mehr so viel Theorie wie in der Schule gelernt habe, habe ich viele praktische Erfahrungen gemacht, die mich geprägt haben.
SOF: Hat sich dein Freiwilligendienst gelohnt?
SH: Ja total, ich bin echt traurig zu gehen und bin wirklich froh, diese Erfahrungen hier gemacht zu haben. Ich habe viele neue Perspektiven erhalten. Ich werde diesen Ort echt vermissen, weshalb ich sicherlich auch öfter mal zu Besuch komme.
SOF: Was nimmst Du dir für die Zukunft mit?
SH: Ich habe hier auf jeden Fall gelernt, dass man jede Situation als etwas Positives betrachten muss. Dann kommen wir halt zu spät zum Arzt, aber dafür haben wir uns etwas Interessantes im Schaufenster angesehen. Außerdem ist die soziale Teilhabe in unserer Gesellschaft wirklich wichtig, das ist mir total bewusstgeworden.