Im Gespräch mit Sebastian Keil, Fachbeirat Ehrenamts- und Verbandsentwicklung
Sebastian Keil, 35 Jahre alt, ist seit vergangenem Herbst Fachbeirat Ehrenamts- und Verbandsentwicklung. Für den ASB in Berlin engagiert er sich seit 2008. Wie er damals dazu kam, über seine Motivation, sich über so einen langen Zeitraum zu engagieren und über seine neuen Aufgaben als Fachbeirat spricht er im Interview.
Sebastian, wie bist du zum ASB Berlin gekommen?
Ich bin seit 2008 beim Arbeiter-Samariter-Bund. Angefangen habe ich als Wehrersatzdienstleistender, also als Helfer im Katastrophenschutz. Damals gab es die Regelung, entweder einen Wehrdienst, Zivildienst oder einen Wehrersatzdienst zu machen. Dabei hat man sich auf sechs Jahre im Katastrophenschutz verpflichtet und wurde dafür nicht für den Wehrdienst eingezogen.
Bist Du seitdem durchgehend beim ASB geblieben?
Genau, mal aktiver, mal weniger aktiv. Der rote Faden bei mir war immer der Helfer im Katastrophenschutz - primär im Sanitätsdienst und aktuell in einer Betreuungseinheit - und ich habe im Laufe der Zeit verschiedene Qualifikationen gemacht. Ich bin neben meinen Fachdienstausbildungen mittlerweile Zugführer, Fachausbilder Betreuungsdienst und Erste-Hilfe-Ausbilder. Ich habe darüber hinaus auch noch an anderer Stelle Verantwortung im Verein übernommen und war einige Jahre stellvertretender Vorsitzender im Regionalverband Berlin-Nordwest.
Das heißt, Du kennst den ASB in ziemlich vielen unterschiedlichen Facetten.
Das ist mein Vorteil – genau. Angefangen als Helfer im Katastrophenschutz, habe ich mich später auf Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit konzentriert und war auch in der Bildungsarbeit der Arbeiter-Samariter-Jugend Deutschland sehr aktiv. Dort habe ich Seminare gegeben und Kinder- und Jugendgruppenleiter ausgebildet. Helfer bin ich aber immer geblieben und regelmäßig auch zu überörtlichen Katastrophenschutz-Einsätzen gefahren, z.B. zu dem Hochwasser im Ahrtal in Rheinland-Pfalz oder in Sachsen-Anhalt.
Das klingt nach einem hohen Zeitaufwand. Wie schaffst Du es, Haupt- und Ehrenamt zu vereinen?
Das Ehrenamt hatte immer einen riesigen Stellenwert in meinem Leben. Bis heute. Jede und jeder, der sich ehrenamtlich engagiert, weiß, dass das sehr viel Zeit bedarf. Ich war daneben auch immer durchgehend hauptberuflich tätig. Das sind im Schnitt bestimmt 8 Stunden pro Woche und mehr, wenn das Wochenende noch dazu kommt. In den Pausen bei meiner hauptamtlichen Arbeit bekomme ich häufig zusätzlich Anrufe, insbesondere da unser Verband ja auch davon lebt, dass Haupt- und Ehrenamt Dinge gemeinsam bewegen und bewirken. Und unsere Hauptamtlichen arbeiten nun mal überwiegend montags bis freitags.
Neu dazugekommen, ist deine Tätigkeit als Fachbeirat im Herbst letzten Jahres.
Genau. Im September hat der Landesvorstand mich zum Fachbeirat Ehrenamts- und Verbandsentwicklung berufen. Und darauf konzentriere ich mich jetzt mit aller Kraft. Natürlich bleibe ich im Kern auch Helfer im Katastrophenschutz, aber das muss dann entsprechend ein wenig zurückstehen.
Der Vorstand sieht die Notwendigkeit, sich inhaltlich stärker damit zu befassen, wie wir das Ehrenamt stärken und weiterentwickeln. 2026 ist die nächste Landeskonferenz, wo unser Landesverband entsprechend die Weichen für seine Zukunft stellen wird. Das sind Arbeitspakete, die ein ehrenamtlicher Vorstand nicht nebenbei noch stemmen kann. Deshalb hat er sich die Expertise, aber auch die verbandspolitische Erfahrung, von außen reingeholt, worüber ich sehr froh bin und mich auch geehrt fühle.
Da ist die lange Verbandszugehörigkeit bestimmt von Vorteil?
Ja, und auch, dass ich gute Kontakte in andere Landesverbände hinein und auf bundesverbandlicher Ebene habe. Ich war auch mehrfach schon Delegierter auf Bundeskonferenzen. Da nimmt man natürlich aus den anderen Gliederungen auch etwas mit. Vom 28.2. bis zum 4.3. waren wir mit 10 Leuten beim Karneval in Düsseldorf. Auch bei solchen Gelegenheiten werden natürlich viele Gespräche abseits des Sanitätsdienstes geführt und Erfahrungen ausgetauscht.
Was hast Du dir selbst im Zusammenhang mit deinem Amt vorgenommen?
Die Funktion, in die ich berufen wurde, ist durch viele Gespräche überhaupt erst entstanden. Darin steckt auch viel eigenes Herzblut. Zum einen würde ich schon von mir behaupten, dass ich überzeugter Samariter bin, also hinter der Idee unseres Verbandes, aus der er sich mal gegründet hat, stehe. Das, was wir jetzt vorhaben, entspringt auch ein Stück weit meinen eigenen Ideen und meinem Wunsch, dass der Verband aus eigener Kraft und aus den eigenen Ideen der Samariter und Samariterinnen in Berlin entscheidet, wo es hingehen soll. Und damit zusammenhängend für sich grundlegende Fragen klärt oder wieder klärt. Daraus ist letztendlich eine Projektidee entstanden, nämlich der ASBerlin-2030-Prozess. Das habe ich aufgeschrieben und dann den handelnden Personen vorgestellt.
Was sind aktuelle Themen, die Ihr beratet?
Wir stehen 2026 unter Umständen vor einem Generationenwechsel. Dabei wird die Landeskonferenz als unser oberstes Beschlussorgan und Delegiertenkonferenz die Entscheidung treffen, mit wem und mit welchem Angebot der Verband seine Wege fortsetzen wird. Das kann man natürlich auf verschiedene Arten tun. Man kann einfach eine Delegiertenkonferenz einberufen, auf der die Delegierten, die in den regionalen Gliederungen gewählt worden sind, zusammenkommen und jemand wird gewählt. Das sollte aber bei einer so großen und stark verwurzelten Organisation eigentlich nicht der richtige Weg sein. Viele Tausend Menschen in dieser Stadt unterstützen uns und haben auch eine gewisse Erwartungshaltung, was eine Hilfsorganisation und ein Wohlfahrtsverband wie der ASB in Berlin tun soll. Daneben stecken auch die Hunderten an engagierten Helferinnen und Helfer jede Woche und jeden Monat viel Lebenszeit, Energie und Ressourcen in unsere Arbeit. Wir haben viele hauptamtliche Mitarbeitende, die nicht nur ‚Nine to Five‘ ihren Job machen, sondern auch etwas mit dem Verband verbinden und die Welt und diese Stadt ein Stück weit besser machen wollen - genauso wie unsere ehrenamtlich Aktiven. Und das gilt es unter einen Hut zu bringen und sich mal die Frage zu stellen, was das eigentlich konkret bedeutet.
Eine Organisation wie der ASB ist aus meiner Sicht kein reiner Selbstzweck. Der ASB hat sich mal aus einer Idee gegründet. Da waren die sechs Berliner Zimmerleute, die nicht länger hinnehmen wollten, dass ständig Arbeiter bei Industrieunfällen ums Leben kamen und sich daraufhin gegenseitig in Erster Hilfe ausbildeten. Das war ein konkreter Gründungsgedanke. Daraus ist unsere riesige Organisation gewachsen. Aus der Idee der Hilfe zur Selbsthilfe für die Leute, für die es keine Hilfe gibt, als Teil der damaligen großen Arbeiterbewegung. Und das gilt es in die heutige Zeit zu übertragen. Was bedeutet das eigentlich? Sind wir nur eine Hilfsorganisation unter vielen oder haben die drei Buchstaben noch eine Berechtigung? Diese Fragen können nur diejenigen beantworten, die der ASB sind. Das sind die Helferinnen und Helfer, die viel Zeit investieren, das sind die hauptamtlich Mitarbeitenden, die einen riesigen Anteil an der täglichen Leistung tragen. Aber auch die Menschen, die uns jeden Monat finanziell als Mitglieder unterstützen. Sie alle sind Teil der Samariterbewegung und müssen das beantworten. Und dabei ist die Landeskonferenz 2026 genau der richtige und beste Zeitpunkt. Deswegen fangen wir rechtzeitig an, die Fragen breit im Verband zu kommunizieren und auch zu diskutieren. Im Idealfall haben wir dann einen breit abgestimmten Konsens, wohin es 2030 gehen soll. Vielleicht auch mit entsprechendem Personal, das sich hinter dieser Vorstandsidee vereinigt. Und darüber stimmt dann die Landeskonferenz ab.
Im Kern geht es darum, einen gemeinsamen Nenner zu finden, wo wir gemeinsam hinwollen. Was grenzt uns denn von den Hilfsorganisationen ab oder ist das alles das gleiche? Warum sind wir denn z. B. Teil des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes?
Das alles gilt es also konkreter herauszuarbeiten?
Genau. Und bewusst zu machen. Und das wiederum ist die Grundlage für Entwicklungen, die ab 2026 angestoßen werden sollen. Was klar ist: ohne junge Menschen, die nachwachsen in unsere Aufgaben, wird es nicht gehen. Und da müssen wir auch ein Stück weit besser werden und Strukturen und Angebote schaffen. Wir müssen, um weiterhin eine Relevanz in dieser Stadt zu haben, Menschen davon überzeugen, dass wir wirklich gute Dinge tun und, so wie wir sie tun, auch ordentlich machen. Und dabei etwas bewegen. Das soll keine neue PR-Kampagne werden, um jeden Monat neue Mitglieder zu bekommen. Letztendlich bleibt man doch nur relevant, wenn man auch wirklich macht, was man sagt und verspricht.
Und man kann nur relevant bleiben, wenn man in dieser Stadt auch sichtbar ist. Das bedeutet für mich auch eine stärkere Verankerung in den Kiezen Berlins, das bedeutet Angebote für die ganze Stadt.
Unser Verband ist kein zentralistischer Verband. Der ASB war schon immer eine Organisation von unten nach oben, mit klarer Haltung und einem positiven Menschenbild. Auch vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte. Man hat sich unter einem gemeinsamen Leitbild zusammengetan, um zu helfen. Deshalb ist ja auch das Aufgabenportfolio des ASB in Deutschland total unterschiedlich. Wir sind in Berlin ganz anders aufgestellt als in Nordrhein-Westfalen oder im Saarland, in Bayern oder in Brandenburg. In Brandenburg hat der ASB sogar eine Schule und weil es die Notwendigkeit gab, sogar woanders ein Museum, das der ASB regional betreibt. Und das geht nur in einer Organisation wie wir das sind. Das würde in einer kirchlichen zentral organisierten Organisation wie die Malteser und Johanniter das sind, überhaupt nicht funktionieren. Wir haben im ASB auch einen sehr inklusiveren Ansatz, wir befähigen die Menschen zu helfen und schauen, was dafür noch fehlt. Letztendlich finde ich, dass unsere Gruppe an Helferinnen und Helfern schon diverser ist als in vielen anderen der helfenden fünf Hilfsorganisationen. Darauf sollten wir uns aber auch nicht ausruhen, denn da ist auch noch Luft nach oben und da müssen wir auch noch ein Stück besser werden, die Stadtgesellschaft auch in unseren Reihen besser abzubilden.
Wir haben einiges vor. Bereits jetzt hat sich eine Projektgruppe in der Landesgeschäftsstelle mit engagierten Mitarbeiterinnen gegründet, um den Prozess vorzubereiten. Über dieses Engagement freue ich mich sehr. Wir starten bald mit Informationen auf der Landesverbandsseite und der Möglichkeit, sich niedrigschwellig zu beteiligen. In diesem Jahr sind auch zwei Veranstaltungen geplant, um die Fragen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Haupt- und Ehrenamt und allen Bereichen des Berliner ASBs zu diskutieren. Freut euch drauf. Bereits jetzt können Interessierte am Prozess einfach über meine E-Mail-Adresse (
) mit mir in Kontakt treten. Ich komme sehr gerne in alle Gliederungen und stelle die Idee vor.Was ist deine eigene Motivation, dich über so viele Jahre schon für den ASB zu engagieren?
Meine Eingangsmotivation habe ich ja schon gesagt. Viele, die mit mir angefangen haben, haben das als reine Verpflichtung gesehen. Das ging bei mir ziemlich schnell darüber hinaus, weil ich gemerkt habe, dass ich unmittelbar etwas Gutes tun kann, dass ich mich persönlich weiterqualifizieren kann und mich in die Lage versetze, auch in anderen Lebenssituationen in Notfällen zu helfen. Das hat mich persönlich stark weitergebracht. Auch unsere Verbandsgeschichte und unsere Haltung war immer ein Grund sich beim ASB und nicht woanders zu engagieren. Wenn Du so viel Zeit in so einem besonderen Engagementfeld verbringst, baust Du da auch Freundschaften auf, die jetzt schon über Jahre bestehen und von gegenseitigem Vertrauen geprägt sind. Die möchte ich auch nicht missen. Darüber bin ich sehr dankbar und daraus ziehe ich viel Motivation und Kraft. Und im Kern habe ich einfach den inneren Antrieb, unsere Organisation auch ein Stück weit besser zu machen. Dass wir unserem eigenen Anspruch gerecht werden. Dass wir auch noch 2030 und 2100 genau das machen können, was wir seit 1888 machen. Anständig, unabhängig und gut hier und jetzt zu helfen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Bild: ASB/ Chang