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Helfer:innen der Berliner Hilfsorganisationen gehen auf Kameramann zu.

„Man muss mit dem Herzen dabei sein“

Aus dem Leben in der Pflege-WG Jahreszeiten – eine Einrichtung der Hauskrankenpflege Jahr & Stang

Mittendrin und doch ganz ruhig in einem Hinterhof der Maxstraße in Berlin-Wedding liegt die WG-Jahreszeiten der ASB-Service- und Immobilienverwaltung Berlin. Hier leben acht Seniorinnen und Senioren, die sich selbst zuhause nicht mehr versorgen können. Gemeinsam essen, ausgehen und wenn die Gesundheit es zulässt, Ausflüge unternehmen – das Leben in der Pflege-WG macht den Alltag leichter, abwechslungsreicher und weniger einsam. Gleichzeitig gibt es rund um die Uhr Betreuung durch den Pflegedienst Jahr und Stang. Aus dem Leben in der WG-Jahreszeiten erzählen Brigitte Heine, Michele Stewien und Sabine Lenz.

Zeit für Gespräche
Michele Stewien ist von Anfang an dabei. Im November 2010 übernahm sie die Leitung der WG-Jahreszeiten, Sabine Lenz arbeitet seit Oktober 2011 als Pflegehelferin in der WG. „Wir sind die Dienstältesten hier.“, berichtet die WG-Leiterin. Das hat seinen Grund: „Hier passt einfach alles, das ganze Paket, die Zusammenarbeit, die Firma.“ An der Arbeit in der Pflege-WG schätzt Frau Stewien vor allem die Zeit für Gespräche: „Mit nur acht Bewohnern ist es etwas ganz Anderes als beispielsweise in einem Heim, in dem man 30 Bewohner versorgt oder draußen in der Hauspflege, wo man jeweils nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hat. In einer Pflege-WG hat man nicht nur Zeit, die Bewohner zu versorgen, es bleibt auch Zeit für Gespräche u.v.m. Bei allem ist der ASB uns ein guter Gastgeber, der die Wohnung instand hält.“

Rund um die Uhr Versorgung
Die Versorgung rund um die Uhr leisten acht Pflegehelferinnen und Pflegehelfer. „Wir machen alles. Es geht morgens mit der Körperpflege los. Dann geht es weiter mit Kochen, Einkaufen, Putzen, Gesprächen, Spiel und Sport. Es wird Mensch ärger dich nicht, Memory, Ball gespielt, gebastelt, gemalt und gebacken. Einige Bewohner machen Gymnastik oder beteiligen sich am Kochen und Kartoffel schälen. So müssen sie den Tag nicht allein verbringen, tauschen sich aus und die Pfleger nehmen sich Zeit für die Menschen. “, erzählt Sabine Lenz. Besonders gern arbeitet sie im Nachtdienst: „Ich bringe die Bewohner zu Bett und passe auf, dass nichts passiert. Nachts kann ich in Ruhe Vorkochen, Putzen und habe dann mehr vom Tag.“

Ein typischer Tag
In der Hauspflege in einer Pflege-WG bleiben die Menschen so lange wie möglich unabhängig. Sie gehen, soweit die Gesundheit es erlaubt, einkaufen oder ins Kino und erhalten Unterstützung beispielsweise beim Saubermachen und Waschen, temporär oder dauerhaft. Jeder hat sein eigenes Zimmer mit eigenen Möbeln, TV und kann sich den Tag gestalten, wie er oder sie möchte. Gegessen wird je nach Wunsch gemeinsam oder allein. Es gibt eine Gemeinschaftsküche, zwei Bäder und einen Balkon. Über ihre Finanzen verfügen die Seniorinnen und Senioren nach Abzug der Kosten selbstständig.

Ein typischer Tag beginnt um 8 Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück für alle, die wollen. Anschließend gehen die Bewohner ihren eigenen Interessen nach. Um 12 Uhr gibt es Mittagessen, später Kaffeezeit und Abendbrot. Wer später essen möchte, für den wird etwas aufgehoben oder er macht sich selbst eine Stulle. Die WG-Bewohnerinnen und Bewohner verstehen sich gut untereinander. Viele können noch allein rausgehen, einige sind auch bettlägerig. Wer kann, geht shoppen oder gemeinsam spazieren. Für besondere Pflege, Arztbesuche und Beschäftigung ist ebenfalls gesorgt. Zweimal pro Tag kümmert sich eine Pflegefachkraft von der Insulinspritze bis zum Verband um die Behandlungspflege. Einmal pro Woche unterstützt eine Betreuungsassistenz und bei Bedarf eine weitere die Arbeit in der Pflege-WG mit Beschäftigungsangeboten, Spaziergängen, Gesprächen und Begleitung von Arztbesuchen. Einmal pro Woche liest ein Ehrenamtlicher den Bewohnerinnen und Bewohnern vor. Es gibt einen Bücherbringdienst der Stadtbibliothek und je nach Gesundheitszustand der WG-Bewohnerinnen und Bewohner werden Ausflüge mit dem Dampfer und ehrenamtlich begleitete Spaziergänge im Kiez unternommen. Eine schöne Erinnerung sind die Fotos von gemeinsamen Ausflügen in den Tiergarten, zur Lichterfahrt und auf den Weihnachtsmarkt an der Wand im Flur. 

„Hier ist alles sehr familiär“
Besuch von Angehörigen ist meist für alle Bewohner eine willkommene Abwechslung, denn viele sind ganz allein.  „Hier ist alles sehr familiär. Wir bringen unsere Kinder und unsere Hunde mit und die Bewohner freuen sich jedes Mal sehr. Aber es gibt auch immer traurige Momente. Am Anfang hat es mir sehr zu schaffen gemacht, wenn ich mich von einem Bewohner verabschieden musste. Inzwischen kann ich dank Gesprächen damit umgehen.“, erzählt Michele Stewien. Die Bewohnerinnen und Bewohner liegen ihr am Herzen: „Man muss mit dem Herzen dabei sein“, sagt Michele Stewien. „Dankbarkeit ist meine Motivation. Und wie eine bettlägerige Frau mich anlächelt. Ich möchte dieser Generation, die das Land aufgebaut hat, etwas zurückgeben.“ Seit über acht Jahren hat sie immer ein offenes Ohr für die Seniorinnen und Senioren der WG. Brigitte Heine ist als erste Bewohnerin von Anfang an dabei. Die Arbeit des ASB begrüßt sie sehr und spricht deshalb gern mit uns über ihre Erfahrungen in der WG.

Hilfe für den Alltag und Zuwendung
„Ich wollte nie 90 Jahre werden.“, sagt sie und ein bisschen Zeit hat sie dafür auch noch. Frau Heine ist am 1.12.1931 als jüngstes von vier Kindern in Berlin geboren. 43 Jahre war sie beim Berliner Senat angestellt und hat immer für sich selbst gesorgt. Dann ist es passiert. Vor acht Jahren ist Frau Heine bei Glatteis auf der Straße gestürzt und kam ins Virchow-Klinikum. Das war kurz vor Weihnachten 2010. Laufen konnte sie nur noch mit dem Rollator und für die tägliche Versorgung brauchte sie Hilfe. Eine Stationsschwester hatte damals die rettende Idee und rief Frau Jahr, von der Firma Jahr und Stang an, die gerade eine Pflege-WG in der Maxstraße gründete. Frau Jahr besuchte Frau Heine noch im Krankenhaus. „Für mich stand immer fest, ich gehe nach Hause. Aber es ging nicht mehr. Ich war klapprig und schlapp und es war klar, ich würde das zuhause nicht bewältigen. Jetzt bin ich hier zuhause und will auch gern bleiben.“

Für das Leben in der Pflege-WG zahlt Frau Heine Miete, Essens- und Pflegekosten. Was sie dann noch an Rente übrig hat, darüber verfügt sie unabhängig, geht einkaufen oder unterstützt den jungen Mann mit seinem Hund am nahe gelegenen Leopoldplatz, der es nötiger braucht. „Ich habe hier Zuwendung von allen Seiten und wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich es. Wenn alle Leute in Deutschland oder der Welt so gut behandelt werden wie wir hier, dann können wir dankbar sein.“ In der Pflege-WG erhält sie Hilfe für den Alltag und Zuwendung. „Man hat immer Schutz, Tag und Nacht ist jemand da. Wenn es klingelt, muss ich mich nicht darum kümmern. Wenn ich mich nicht wohl fühle, werde ich versorgt mit Essen und Körperpflege. Ich muss nicht einkaufen und mich um nichts sorgen. Wenn ich Langeweile habe, schäle ich Kartoffeln. Es ist die Geborgenheit, lange Gespräche, ein ganz klein bisschen Familienersatz ist das, auch das Miteinander.“

„Eine gute Form für alte Leute zu leben.“
Michele Stewien schätzt sie sehr und hat in der WG neue Freunde gefunden: „Ich habe fast immer nur nette Leute kennengelernt und viele Freundschaften geschlossen.“ Frau Heine hat in den Jahren aber auch Freunde gehen sehen: „In der Zeit sind 14 Menschen gestorben, davon sieben echte Freundschaften, die letzte im Oktober mit 93 Jahren. Das setzt mir so zu. Ich vermisse sie.“ Ihren Verlust teilt sie mit ihren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern. Sie ist nicht allein. Freundschaft, Miteinander, Geborgenheit und Zuwendung bestimmen ihren Alltag in der Pflege-WG. Für Frau Heine „eine gute Form für alte Leute zu leben.

Fotos: Melanie Rohrmann